Erste Menschen im Nuthetal

Erste Menschen im Nuthetal von Hans-Jürgen Paech

Nach der letzten Vereisung und dem endgültigen Rückzug des Eises verbesserte sich das Klima und bald tauchten in der Nutheniederung die ersten urgeschichtlichen Menschen auf. Zumindest vor 10.000 Jahren waren die Steinzeitmenschen da.

Kenntnisse über die Stein- und Bronzezeit
Die Steinzeitmenschen waren als Sammler und Jäger nicht sesshaft. In wechselnden Lagern hielten sie sich vor allem oberhalb der Steilkante zur Nutheaue auf. Sie hatten da trockene Lagerplätze und zu den Wasserstellen der Nuthe war es nicht weit. Über die Altsteinzeit vor 10.000 Jahren gibt es nur einen Fund aus dem Nuthetal, der ist besonders spektakulär, so dass er im nächsten Abschnitt gesondert beschrieben werden soll.

Einige Funde gibt es über die Zeiten 8000 Jahre vor der Zeitrechnung (=v.d.Z.), d.h. Mittelsteinzeit bis Bronzezeit (bis 800 v.d.Z.) (WDH 1969). Zur Mittelsteinzeit wurden Wohngruben angelegt und die Lebensgrundlage waren Jagd und Fischfang. Die Feuersteinwerkzeuge wurden an der oben erwähnte Steilkante mehrfach und auch an „Dem Schlaatz“ geborgen (GRAMSCH 1960, 1973: unbedeutende Scherben und Teil einer Steinbeiles?). In der Bronzezeit gab es schon eine Arbeitsteilung, neben Ackerbauern und Viehhaltern agierten „Bronzehändler“. Spuren dieses Zeitabschnittes fanden sich an der sogenannten Burgfischerei, schon im Gebiet von Rehbrücke gelegen. Im WDH (1969) werden aber keine weitergehenden Angaben gemacht. Daten über die Germanen in der Nutheniederung bis zur Völkerwanderung im 5. bis 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt es mit Ausnahme der Bezeichnung „Nuthe“ keine. Über die Zeit der Slawen (6. bis 11. Jahrhundert) sind keine direkten Spuren im Nuthegebiet bekannt. Aber als fleissige Ackerbauern und auch Händler (eine Straßenverbindung von Lebus an der Oder nach Magdeburg führte über Potsdam; WDH 1969) haben sie Orts- und Flurnamen vergeben und so zahlreiche indirekte Marken hinterlassen. Auf slawischen Ursprung weisen die Flurbezeichnungen Baberow (eine Insel innerhalb der Nutheniederung im jetzigen Stadtteil Babelsberg) geht auf das slawisch bobr=Biber zurück und Beetz kann auch slawisch sein (bec = Tonne? oder Quelle, kann auch den slawischen Stamm für „wütend“ widerspiegeln), der Ort Drewitz ist wegen der Endung „witz“ eindeutig slawisch und das „drew“ bezieht sich auf drevo=Baum/Holz. Über den Begriff „Schlaatz“ wurde eingangs schon der mögliche slawische Ursprung diskutiert.

Erfolgreiche Jagd auf einen Auerochsen vor 10.000 Jahren am Schlaatz
Der Aufmerksamkeit des Baggerführers Christian HÜBNER ist es zu verdanken, dass die Bedeutung des am 27.2.1984 in fast 3 Meter Tiefe freigelegten Horns eines noch verdeckten Schädels erkannt wurde.

Er informierte gleich das Museum für Ur- und Frühgesschichte (damals noch in Potsdam ansässig). Die Herren GRAMSCH, GUSTAVS, TEICHERT und WEIßE (vorwiegend 1987) haben sich bei der in aller Eile durchzuführenden Bergung in einem Rohrgraben ca 200 m südwestlich „Des Schlaatzes“ und anschließender Bearbeitung der Skelettreste eines Auerochsen (= Ur) und des Umfeldes besonders verdient gemacht. Auf ihren Ergebnissen wird hier aufgebaut.

Abb. 6 Rekonstruktion des Auerochsen (vereinfacht nach GUSTAVS 1987),
dessen Skelettreste im Februar 1984 ca 200 m südwestlich
„Des Schlaatzes“ freigelegt werden konnten.

Zunächst sei die Tierart „Auerochse“ kurz beschrieben, die auch „Ur“ genannt wird. Es handelt sich um ein großhorniges Wildrind, dessen Körpergröße mit 1,70 m Risthöhe und Körpergewicht bis 800 kg beachtlich waren. Das Ur war auf der Nordhalbkugel der Alten Welt bis Indien verbreitet und auch seit Urzeiten bejagd, unverständlicherweise aber nicht von den Germanen vor der Völkerwanderung. In Ostdeutschland ist das Ur im 12. Jahrhundert noch belegt, 1557 gilt es aber schon als ausgerottet. Das letzte lebende Ur wird aus dem 17. Jahrhundert in Polen beschrieben. Trotz Hege und Pflege durch Fütterung im Winter verendete es im Jahre 1627 (GRAMSCH 1987b). Damit war diese Art ausgerottet, aber Gott sei Dank war sie vorher noch domestiziert worden und lebt in unseren Hausrindern weiter. Das hat man sich zunutze gemacht und seit 1940 laufen Rückzüchtungen, die z.B. im Wildpark bei Groß-Schönebeck (Schorfheide) und im Naturerlebnispark Gristow westlich von Greifswald zu bewundern sind. Die stattliche Größe ist originalen Urs ist aber noch nicht erreicht, dass äußerst sich auch den Wirbelfortsätzen. Aber interessant ist schon die Farbe der „Ur-Herde“ bei Groß-Schönebeck, die Farbe des Ur-Stiers ist fast schwarz, die der Ur- Kühe fast ockerbraun.

Abb. 7 Künstlerische Gestaltung des Auerochsen an der ehemaligen
Gaststätte „Zum Auerochsen“ (Foto: Autor)

Am Schlaatz konnte von dem Skelett des Auerochsen der gesamte Schädel mit Hörnern, vordere Teile der Wirbelsäule mit Rückenwirbelfortsätzen und die vorderen Rippen geborgen werden. Für die Deutung des Fundes ist das vollkommene Fehlen der übrigen Knochen eines Urs von Bedeutung. Die vorgefundenen Knochen lagen zwar einzeln, aber noch so angeordnet, wie sie zu Lebzeiten verwachsen waren. Sie zeigten überall Ritzspuren. Nach den am Fundplatz gefundenen Feuersteinwerkzeugen (sieben) stammen die Ritzspuren offensichtlich von erfolgreichen Bemühungen, das Fleisch abzulösen. Es kann also mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Auerochse durch Jäger erlegt worden ist. Da es sich um einen Stier handelt, die Maße des Schädels sind dafür ein eindeutiger Hinweis, kann man sich die Gefährlichkeit dieses Jagdunternehmens ausmalen. Eine Speerspitze ist nicht gefunden worden, so dass unklar bleibt, wie das Tier erlegt worden ist. Es kann wohl durch Speere kampfunfähig gemacht worden sein, aber die Speerspitzen sind für eine spätere Wiederverwendung aus dem Leib herausgezogen worden. Andere Möglichkeiten sind das Stellen einer Falle, was zur damaligen Zeit schon beherrscht wurde, oder das Treiben des Urs in den Abgrund des damaligen Nuthealtlaufs, dessen Sohle sicher mindestens 2 m tief und zudem morastig war. Was sich nach dem Erlegen abspielte, lässt sich als Szenarium aus den Ritzspuren an den Knochen und aber auch aus den fehlenden Knochenteilen ableiten. Das Fleisch des Auerochsen wurde von der Jagdgruppe vollkommen geborgen. Die Extremitäten (Vorder- und Hinterläufe) wurden ebenso wie die Lendengegend abgetrennt und einzeln mit dem Fleisch zum Siedlungsplatz getragen. Diese Interpretation wird dadurch gestützt, dass in steinzeitlichen Fundplätzen besonders viele Knochen dieser Skelettteile gefunden wurden. Sie waren dorthin zur Verwertung des Fleisches verbracht worden. Dagegen ließen sich Kopf, Hals und Brust nicht voneinander trennen und wegen des hohen Gesamtgewichtes auch nicht transportieren. Vielmehr wurde das Fleisch durch Abtrennen gewonnen und möglicherweise gleich an Ort und Stelle verzehrt. Dafür gibt es aber keine Belege, z.B. Reste einer Feuerstelle oder die abgeknabberten Knochen der nicht am Skelett gefunden Körperteile, die systemlos in die Umgebung „entsorgt“ sein müssten. Weitere Knochen in der Umgebung der Fundstelle stammen demgegenüber von Hirsch, Pferd und Wildschwein.

Die Altersfrage, wann hat das Jagdszenarium stattgefunden, ist von einer besonderen Bedeutung. Die Feuersteinwerkzeuge sind zeitlich nicht einzuordnen, weil sie keine charakteristischen Merkmal zeigen. Deswegen ist es um so wichtiger, dass die 14C-Methode (Kohlenstoffisotope, an Holzresten bestimmt) ein Alter von rund 10.000 Jahren ergeben hat. Dieser Wert ist unabhängig voneinander in zwei Labors gemessen worden (WEIßE BRANDE & LINDER 2001) und damit von sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Die gute Erhaltung der Knochenteile über die 10.000 Jahre ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die Einbettung des Ur-Skeletts, vielleicht durch ein Hochwasser bedingt, kurz nach der Jagd erfolgt sein muss. Nur so sind die Knochen „luftdicht“ eingebettet worden und unterlagen nicht der Verwesung bzw. dem Zerfall.